1. Qualität und Zugänglichkeit von Materialien
Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass die drastische Änderung in den letzten 6-10 Jahren die Menge und auch die Qualität der Materialien und Ressourcen sind, die Pokerspieler zur Verfügung haben.
Als ich anfing, gab es sicherlich schon einige hochwertige Poker-Bücher und die ersten großen Online-Poker-Trainingsseiten kam auf, aber die Qualität war nicht zu vergleichen, mit der, die man heute geboten bekommt.
Vor sechs Jahren hatten die Spieler noch Angst, ihre Geheimnisse zu verraten. Heute nicht mehr. RunItOnce ist ein klares Beispiel für eine Seite, die die stärksten Spieler anheuert, um Poker zu lehren.
Inzwischen wird nicht mehr nur die Strategie und das Spiel selbst professionell betrachtet, sondern auch alles, was mit dem Pokersport zusammenhängt: Evan Jarvis (gripsed.com) hat einen holistischen Ansatz und bringt den Spielern bei, was sie für ihre Gesundheit tun müssen und wie ihre Lebenseinstellung sein muss, damit sie großartige Pokerspieler werden.
Justin Bonomo sieht die Gründe für die Fortschritte in diesem Bereich in erster Linie in den neuen Möglichkeiten, die Poker im Internet bot:
„Online Poker war ein enormer Katalysator, um Pokerstrategien im allgemeinen zu verbessern. Leute wie Doyle Brunson klügelten damals mit ein paar Freunden und Bleistift und Papier Strategien aus. Heutzutage beschäftigen sich tausende Spieler mit der Materie und was damals nur geschätzt wurde, wird heute von Computern und Simulationen akribisch gelöst.“
Darüber hinaus ist ein Großteil dieser Informationen inzwischen kostenlos. Es kostet zum Beispiel keinen Cent, unter der Woche bei der Global Poker League auf Twitch vorbeizuschauen, wo viele der besten Spieler regelmäßig aktiv sind und ihre Strategien preisgeben. Viele andere Topspieler streamen ebenfalls und man kann von ihnen lernen, indem man einfach zuschaut.
2. Die Spielstärken haben sich angeglichen
"Mit den neuen Möglichkeiten, die jedem Spieler zur Verfügung stehen, haben die Pokerspieler im allgemeinen mehr wissen um das Spiel und der Unterschied der Spielstärke zwischen den besten und schlechtesten Spielern ist deutlich kleiner geworden." – So erklärt es Billy "b8chatz" Chattaway.
Das Spiel ist schwerer geworden, denn die schwächeren Spieler sind inzwischen deutlich besser und auch die mittelstarken Spieler haben inzwischen ein sehr solides Grundlagenwissen.
Talal Shakerchi alias "raidalot", der jüngst das Main Event der SCOOP gewann, erklärt: „Es ist inzwischen viel schwieriger, Spieler in unterschiedliche Gruppen zu teilen, denn jeder hat die gleichen Bücher, die gleichen Videos und so weiter gesehen und gelesen und spielt einen halbwegs ausgeglichenen Stil. Die Spieler haben inzwischen auch ein viel besseres Verständnis davon, wie sie mittlere und schwächere Hände nach dem Flop spielen sollen und können ihre Ranges wesentlich besser balancieren.“
Es gab mal die Zeit, als einfaches ABC-Spiel ausgereicht hat, um mit Poker eine Menge Geld zu verdienen. Dieses Spiel mag auch heute noch funktionieren, aber es reicht nicht mehr um relevante Geldbeträge zu erwirtschaften.
3. Die Spieler sind kreativer
Als die Spieler einsahen, dass ABC-Poker nicht mehr ausreicht, mussten sie sich neue, kreativere Strategien ausdenken, um ihre Gegner zu schlagen.
Ein Großteil dieser Kreativität entsprang – wo auch sonst – den Online-Trainingsseiten. Vor zehn Jahren kannte keine Sau das Konzept eines Reverse Float. Heute gehört es zum Standardrepertoire eines jeden professionellen Spielers.
„Die Spieler suchen nach unorthodoxen Spielweisen und das macht es deutlich schwerer, gegen sie zu spielen und sie zu lesen. 2006 hat kein Spieler jemals doppelt gefloatet. Heute haben die Spieler wesentlich kreativere Wege gefunden, um Hände zu gewinnen“ – so Chattaway.
Justin Bonomo schlägt in die gleiche Kerbe: „Als professioneller Spieler ist es faszinierend, die Evolution des Spiels zu beobachten. Willst du dich gegen die Besten der Besten durchsetzen, musst du immer auf der Höhe des derzeitigen Metagames bleiben.
Ein Beispiel für diese Evolution: in den letzten Jahren hat es sich eingebürgert, dass man, wenn sich eine niedrige Karte auf dem Board paart und man selbst weder Position, noch Initiative hat, einfach rund 30 % des Pottes setzt. Dieses Spiel heißt Range-Charge und die Idee dahinter ist, dass diese Karte für deine eigene Range so viel besser ist, als für die deines Gegners, dass du nicht mehr davon ausgehen kannst, dass er weiter setzen wird."
Dinge wie diese muss man wissen und verstehen – nicht nur damit man solche Spielzüge im eigenen Arsenal hat, sondern auch um eine passende Gegenstrategie zu entwickeln.
4. Die Spieler sind noch aggressiver
Das Level der Aggression vom Spiel hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
„Vor dem Flop gibt es mehr und mehr kriegsähnliche Eskalationen. Eine 5-Bet kam vor zehn Jahren überhaupt nicht vor und auch die 3-Bets sind inzwischen deutlich häufiger“ – erklärt Chattaway.
Shakerchi stimmt zu: „Vor dem Flop ist das Spiel wesentlich aggressiver. 3-Bet- und 4-Bet-Ranges sind inzwischen unglaublich viel weiter. Als ich mit dem Spiel anfing, hieß die Weisheit noch, dass der vierte Raise immer Asse bedeutet – aus Phil Gordonds Little Green Book. Das könnte heutzutage kaum weiter von der Wirklichkeit weg sein."
Auf allen Ebenen ist das Spiel heutzutage aggressiver. Abgesehen von den niedrigsten Limits gibt es so etwas wie Limps überhaupt nicht mehr und diese werden auch sofort als Zeichen der Schwäche interpretiert. Auch das Spiel mit übersichtlichen Stackgrößen ist inzwischen deutlich aggressiver, denn dank moderner Tools und Tabellen wurde das Spiel zu einem All-In-Festival.
5. Die Mathematik dominiert
Ich glaube, damals waren noch mehr Spieler unterwegs, die sehr viel aus dem Bauch heraus entschieden. Doch eine mathematisch fundierte Spielweise setzte sich schließlich durch. "Mathematics of Poker" von Bill Chen und Jerrod Ankenman ist nicht umsonst eines der erfolgreichsten Pokerbücher aller Zeiten.
Spricht man mit einem Topspieler über eine Hand, wird man erstaunt sein, wie weitreichend bei ihm mathematische Überlegungen sein werden.
Für mich ist es ganz klar, dass ein Spieler, der heutzutage langfristig Gewinne machen will, ein tiefes Verständnis von Poker-Mathematik haben muss. Spieler mit Bauchgefühl mögen zwar immer noch erfolgreich sein, doch es werden weniger und weniger.